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Freiburger Verfassungsentwurf 2010

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Verfassungsentwurf (Juli 2010)
College of Human Ecology

Die Neu-Verbindung von Gesellschaft und Natur

1. Humanökologisches College als Zwischenraum

Die ökologischen, sozialen und kulturellen Kernprobleme unserer Weltgesellschaft verlangen regionale Initiativen mit globalem Verantwortungs-Bewusstsein. Das COHE versteht sich als Zwischenraum zwischen Theorie und Praxis für ökologische Projekte in einer Region, um aus Problembewusstsein Handlungsalternativen forschend und lehrend zu entwickeln. Die Idee der Zwischenräume verlangt eine theoretisch-praktische Zusammenarbeit zwischen dem College und regionalen Entwicklungs-Initiativen.

Die theoretische Grundlage dafür bildet eine interkulturelle und interdisziplinäre Humanökologie. Sie ist ein weltweit kooperierender Wissenschaftsverbund, um über disziplinäre Grenzen hinweg die ökologische Theorie in die Gesellschaft zu tragen und gesellschaftliche Initiativen theoretisch und forschend zu unterstützen.

2. Weltgesellschaft und Region: Trennung und Neuverbindung

Das COHE geht von folgender Kernproblematik unserer Weltgesellschaft aus: Falsche Arbeitsteilungen im Konkurrenzkapitalismus führen zu Nicht-Wahrnehmungen, strategischen Fehlentwicklungen und falschem Wettbewerb und verhindern so eine nachhaltige, d.h. humane, sozial-ökologische Entwicklung. Die moderne Haupt-Trennung lässt sich als Trennung von Natur und Gesellschaft beobachten und beschreiben. Daraus ergeben sich weitere Trennungen: Stadt und Land, Wissenschaft/Theorie und Erfahrung/Kunst/Alltag, Lehre und Forschung, Demokratie und Elitenbildung, Führung und Mitbestimmung, langfristige ökologische Prozesse und kurzfristige ökonomische Interessen, Kopf- und Handarbeit, Industrie und Handwerk, Arbeit und Kapital. Diese Trennungen haben zu scheinbar grenzenlosen "Erfolgen" von Wirtschaft und Wissenschaft geführt. Falsche Bewertungsmaßstäbe wie das Bruttosozialprodukt oder Börsenkurse verstellen den Blick auf echte Fortschritte durch ökologisch-ökonomische, politisch-soziale oder kulturell-künstlerische Initiativen und Entwicklungen.

Seit dem ersten Club of Rome-Bericht 1972, spätestens seit der Konferenz in Rio 1991 wird die Schattenseite der westlichen - genauer der industriellen - "Fortschritts-Geschichte" deutlich. Die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage ist keine Behauptung mehr, sondern unsere gemeinsame kulturelle und soziale Hauptherausforderung. Hierbei ist die nur technische Problemlösung nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, weil sie Trennungen nicht aufhebt, sondern vertieft. Die Bearbeitung der weltgesellschaftlichen Probleme kann nur vor Ort, in der Region und mit der Region geschehen. Z.B. bleiben internationale Klimavereinbarungen ohne regionale Initiativen sinnlos.

 

 

3. Regionale Initiative und internationale Bewegung

Das COHE versteht sich als Teil einer internationalen sozial-ökologischen Bewegung, die ihre historisch geistigen Wurzeln auch im Renaissance-Humanismus und im deutschen Idealismus hat. Ausgehend von den internationalen emanzipatorischen und ökologischen Bewegungen der siebziger Jahre wird diese Bewegung in fast allen Kulturen, Schichten, Bereichen und Parteien wirksam, weil sie das kulturelle Bewusstsein der Regionen der Welt als gemeinsames Erbe begreift und regionale Initiativen ermutigt und begleitet. Eine wissenschaftliche Heimstätte findet diese Bewegung noch sehr unvollständig (Humanökologie, human- und sozial-ökologische Institute). Das COHE soll in diesem Sinne auch eine akademische Heimstätte und Entwicklungsortglobaler und regionaler ökologischer Initiativen und Netzwerke sein.

4. Aufgabe und Grundstruktur des College

Am College entfalten, wachsen und reifen Kooperationen, Projekte und Bildungsangebote, die auch und insbesondere von den Studierenden angeregt und entwickelt werden. Die interdisziplinäre human-ökologische Forschung/Lehre ist in drei Hauptbereiche gegliedert, die sich je aus ihrer Perspektive den ökologischen Problemen nähern:

.        1. Liberal Arts, also der Geisteswissenschaften sowie der freien und bildenden Künste,

.        2. Science, also der Natur-/Umweltwissenschaften und

.        3. Humanities, also der Sozial-, Rechts- und Gesundheitswissenschaften sowie der Ökonomie

In diesen werden universitäre Gestaltungskompetenzen mit regionalen Initiativen (Wirtschaft, Politik, Kultur) verbunden. Ausgehend von den Bedürfnissen und den Problemen der Region wird gemeinsam mit den regionalen Akteuren der Studien- und Forschungsbedarf formuliert. Dieser wird durch kooperativ-entwickelte Projekte konkretisiert. Das Curriculum umfasst

.        Inter-disziplinäre Methodenausbildung,

.        Kompetenzen im systemischen Denken und Handeln,

.        die Integration forschungspraktischer und literarisch-künstlerischer Perspektiven sowie

.        die Entwicklung von Bürgerengagement und kritischem Denken.

5. Lehre und Organisation

Wenig Pflichtveranstaltungen werden durch viele Wahlfächer, Projekte und Forschungsinitiativen ergänzt. Alle Veranstaltungen sind mentorenbegleitet. Kein Kurs hat mehr als 12 Teilnehmende. Das College bindet von Beginn an die Studierenden in die Lehre und Forschung, die Selbstverwaltung und die praktische Organisation/Vernetzung mit der Region ein. Studierende und regionale Akteure aus Wirtschaft, Politik und Kultur werden als mitverantwortliche Subjekte zu Akteuren in Forschungs- und regionalen Entwicklungsprozessen. Es wird eine permanente Qualitäts- und Entwicklungsarbeit von regionalen Initiativen, College-Initiatoren und Studierenden gewährleistet. Die regionalen Akteure aus Wirtschaft, Politik und Kultur werden in die Lehre und Forschung mit einbezogen. So entstehen kommunikative Zwischenräume zwischen Gleichberechtigten. Eine fakultäre Trennung der Wissenschaften wird abgelehnt.

6. Ziel

Ziel des COHE ist es, durch kooperative Lehr- und Forschungsprojekte ein ökologisches, soziales und kulturelles Wertschöpfungsnetzwerk (auch für die Region) zu etablieren. Das College bekennt sich darüber hinaus mit den regionalen Akteuren dazu, einen regionalen Beitrag zu einer humanen, sozialen und ökologischen Weltgesellschaft zu leisten. Ökologie und Ökonomie, Kultur und Politik bilden Zwischenräume eines kooperativen Qualitäts- und Entwicklungsprozesses.

7. Selbstverständnis

Das COHE stellt sich in die Tradition ganzheitlicher und humanistischer Gesellschaftskonzepte, die sich als eingebettet in die natürlichen und kulturellen Prozesse auf der Erde verstehen. Es bekennt sich zu seiner Verantwortung für Region und Weltgesellschaft und ihre jeweiligen Natur- und Kulturräume. Es verbindet sich mit den regionalen Akteuren/Initiativen aus Wirtschaft, Politik und Kultur/Zivilgesellschaft von Beginn bis zum Ende der Forschungsprojekte und darüber hinaus, ohne von seinen ökologischen, sozialen und kulturellen Grundanliegen (seiner Verfassung) Abstriche zu machen. In diesem Sinne ist das Anliegen des COHE radikal (grundsätzlich) und pragmatisch (handlungsorientiert). Es kooperiert nicht strategisch, sondern wertorientiert.

Für die Studiengruppe College of Human Ecology and Liberal Arts der DGH:
Prof. Dr. Andreas Nebelung
Dr. Wolfgang H. Serbser

Ansprechpartner:
Andreas Nebelung
Weilersbachweg 17c
79100 Freiburg im Breisgau
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